Akzeptanz: Mit seelischen Konflikten leben

Akzeptanz: Mit seelischen Konflikten leben

2. März 2023 0 Von Eckhard Neuhoff

Meine Depressionen, meine seelischen Defizite, meine inneren Grenzen, meine gesamte Lebenssituation, und damit mein So-Sein tatsächlich zu akzeptieren, es anzunehmen: Es gibt kaum etwas, das mir schwerer fällt und wogegen ich innerlich immer wieder und ohne es überhaupt zu bemerken, mit großem Kraftaufwand ankämpfe, mich dagegen wehre.

Insbesondere dann, wenn ich mich in depressivem, seelischem Missempfinden gefangen fühle, ich keine Freude zu empfinden vermag, und ich mich vor lauter Scham und Angst vor Begegnung, am Liebsten vor aller Welt verkriechen möchte, begibt sich mein Verstand ruhe- und ziellos auf Wanderschaft. Und ich verspüre in mir Wut, Trauer, große Unruhe und Resignation ob meiner gefühlt hoffnungslosen Situation. Ich schäme mich vor mir selbst wegen meiner „Schwäche“ und meiner gefühlten (und erlernten) Hilflosigkeit angesichts des Berges von vermeintlich dringenden und zwingend sofort notwendigerweise zu erledigenden Aufgaben. Doch je mehr dieser innere Druck wächst, umso weniger bin ich dazu imstande, selbst „kleine“ Aufgaben anzugehen. Und auch dafür schäme ich mich wiederum.

Die Erkenntis, als Kind zum Opfer andauernder seelischer Gewalt geworden zu sein, hat mich bis ins Innerste erschüttert. Und auch hier mischen sich tiefe Scham und Schuldgefühle in mein Empfinden; Schuldgefühle und Scham darüber, dass ich „trotzdem“ nicht mehr aus meinem Leben gemacht und mich nicht (noch) mehr bemüht habe, sondern „gescheitert“ bin und dass es annährend vier Jahrzehnte gedauert hat, um überhaupt zu dieser Einsicht zu gelangen. Wie konnte ich so lange derart blind und blöd sein? Ja, mein innerer Richter hat gerade Hochkonjunktur!

Dass ich mich mit diesem Text, der so gar nicht zu meiner innigen, tiefsinnigen, schönen und ermutigenden Seelenpoesie passen will, überhaupt an die Öffentlichkeit wage, hat mich sehr viel Überwindung gekostet. Denn er hat so gar nichts „Spirituelles“ und nach Sinn und Harmonie Strebendes an sich. Aber er offenbart Anteile und Facetten meines Selbst, die ebenso zu mir gehören und gleichermaßen das Recht haben gezeigt zu werden. Selbst dann, wenn es für andere Menschen nur schwer erträglich ist.

Schon vor geraumer Zeit bin ich für mich zu der Erkenntnis gelangt, dass wahrhaftige, gelebte Spiritualität -zumindest für mich- nichts mit der weit verbreiteten „Alles ist Liebe- und Frieden-Mentalität“ vieler anderer spiritueller Menschen zu tun hat, die entweder jegliche Auseinandersetzung vermeiden, weil Konflikte vermeintlich „unspirituell“ sind, oder aber ihre gewonnenen „Einsichten“ und „Erkenntnisse“ auf anmaßende und überhebliche Weise zur allgemeingültigen „Wahrheit“ oder Gesetzmäßigkeit erheben, und diese mit Zähnen und Klauen verteidigen. Ganz ehrlich: Ihr könnt mich mal!

Mein Leben ist geprägt von zahlreichen inneren Konflikten und Kämpfen, deren „Urwunde“ erlebter und durchlittener seelischer Missbrauch ist, der bis heute in mir nachwirkt. Diese Tatsache und ihre massiven Auswirkungen auf meine Entwicklung und mein Leben tatsächlich zu akzeptieren, sie vollumfänglich anzunehmen, ist keine leichte Aufgabe, die sich „eben mal so“ bewerkstelligen lässt. Und trotzdem habe ich sie als meine Aufgabe angenommen, der ich mich jeden Tag aufs Neue stelle – mal mehr, mal weniger „erfolgreich“, und mit von meinen jeweils vorhandenen Kräften abhängiger Intensität und Konsequenz. Es ist so wie es ist!