Licht und Schatten: Mein Selbstbild für die Öffentlichkeit

Licht und Schatten: Mein Selbstbild für die Öffentlichkeit

16. April 2023 1 Von Eckhard Neuhoff

Meine innigliche und tiefe Sehnsucht danach, in meiner Gesamtheit wahr- und angenommen, verstanden und wertgeschätzt zu werden, ist in sich durchweg äußerst widersprüchlich. Denn zeitgleich nehme ich in mir eine sehr große Scheu wahr, mich tatsächlich auch mit allem was mich ausmacht zu präsentieren und dieses Bedürfnis ebenso klar und unmissverständlich an andere Menschen zu adressieren. Zudem ist es jedes Mal ein inneres Ringen darum, was ich von mir aus meinem Innersten wirklich preisgeben kann und möchte, ohne mich dabei unwohl und schutzlos ausgeliefert zu fühlen, weil ich mich bestimmter Eigenheiten, Gefühle oder Gedanken sogar vor mir selbst schäme, und sie mir unangemessen oder gar kindisch vorkommen. Und gleichzeitig stelle ich mir immer wieder die Frage, ob und wen es denn überhaupt wirklich interessiert, was mich im Innersten bewegt.

Natürlich geht es mir nicht darum, über jede Kleinigkeit schreiben zu wollen, über jeden flüchtigen Gedanken oder jede kleine Regung, die mir im Laufe des Tages widerfährt. Es geht vielmehr um die große Frage, wer ich eigentlich bin, was mich im eigentlichen Sinn charakterisiert und ausmacht – im Guten, wie im „Schlechten“. Und, in wieweit ich tatsächlich zu mir in meiner Gesamtheit auch „Ja“ zu sagen imstande bin, ohne wenn und aber. Dass mir dieses uneingeschränkte „Ja“ zu mir selbst unglaublich schwer fällt, ist meiner Biografie und frühkindlichen, zutiefst verletzenden und prägenden Erfahrungen geschuldet, die in unterschiedlicher Intensität noch heute in Gestalt von Depressionen, häufiger Hilflosigkeit, Bindungsängsten, Ziel-und Wurzellosigkeit und Suchtverhalten als tiefe seelische Traumata äußerst wirksam sind, und über die im Detail zu erzählen für mich noch immer mit tiefen und mich hemmenden Schamgefühlen verbunden ist. Und: Ich habe noch immer große Angst davor, für diese inneren Abgründe abgelehnt, missverstanden und verurteilt zu werden, so, wie es mir in meiner Kindheit, in meiner Jugend, und selbst noch als Erwachsener häufig widerfahren ist.

Warum schreibe ich heute darüber? Ich habe lange mit mir darum gerungen, ob und in welcher Form ich diese für mich äußerst schwierigen Themen in die Öffentlichkeit tragen möchte. Oder, ob es nicht besser ist, es weiterhin nur in mir zu bewegen. Ein für mich gewichtiger Grund es doch zu tun ist, dass ich in den letzten Tagen beim Schreiben meiner Gedichte immer wieder gespürt habe, dass sie zwar allesamt meinem Innersten entsprechen, und damit ein wichtiger Teil meines Selbst, aber eben der andere Part meines Selbst, meine dunkle, „zerrissene“ Seite, dabei zu wenig Beachtung findet. Damit habe ich ein Zerrbild meiner selbst für die Öffentlichkeit kreiert, das für mich nicht länger stimmig ist, und mit dem ich mich beim Schreiben nicht mehr wohl und „echt“ fühle.

Das was ich zu sagen habe, ist eben nicht nur „schön“. Sämtliche Brüche, Unstimmigkeiten und dunklen Aspekte meines Seins und meines Lebens gehören genauso dazu. Wenn ich als Mensch, als Poet und Schriftsteller wirklich „ich“ sein möchte, dann haben auch diese unbequemen und scham- und angstbehafteten Bereiche in meinem Wirken ab sofort (wieder) ihren Raum und ihre Berechtigung. Unabhängig davon, was „Andere“ davon halten mögen.