Schattenarbeit und seelische Balance

Schattenarbeit und seelische Balance

14. Januar 2023 0 Von Eckhard Neuhoff

Schon seit etlichen Monaten befinde ich mich inmitten eines sehr aufwühlenden und Kräfte-zehrenden seelischen Zustandes, der mich auf zugleich fordernde, aber dennoch irgendwie „richtige“ und wohl auch notwendige Weise mit meinen Schattenthemen und seelischen Abgründen konfrontiert. Ich sehe mich einem sehr verwirrenden und (noch) undurchschaubaren Dickicht verschiedenster, äußerst widersprüchlicher und scheinbar nicht zueinander passen wollender seelischer Anteile gegenüber, die zueinander zu bringen, zu ordnen, oder gar befrieden zu wollen, einer Herkulesaufgabe gleicht. Und inmitten dieses Dickichts die Ruhe zu bewahren und ungeachtet seiner Präsenz, mir trotzdem auch meiner Stärken und lichten Seiten bewusst zu sein und es zu bleiben, gleicht einem Balanceakt auf dem sprichwörtlichen Drahtseil.

Jeder einzelne Tag ist eine echte Herausforderung, die zu bewältigen mir mal mehr und mal weniger gut gelingt. Und gäbe ich meinem überaus starken und dominanten Verlangen nach absoluter Ruhe und völligem Rückzug, nach Isolation nach – als vorbeugender Schutz sowohl für mich, als auch für andere Menschen, vor meiner Wut, meiner Trauer und Verletzbarkeit – ich würde wohl ganz und gar der momentan vorherrschenden Dunkelheit in mir anheimfallen. Doch gibt es nur ganz wenige Menschen, denen ich mich in diesem Seinszustand überhaupt, und sei es nur gelegentlich, öffnen, zeigen und „zumuten“, mich mit ihnen austauschen möchte, weil ich ihnen zutraue, mit mir und meinem gegenwärtigen So-Sein umgehen zu können, ohne davon überfordert zu sein. Es sind „handverlesene“ Menschen, bei denen ich mich getraue, ohne Scham und ohne Angst vor Missverständnissen und zusätzlichen belastenden Konflikten, ganz ohne Vorbedingungen, einfach nur ich zu sein.

Mich überhaupt ganz und gar unbelastet und wirklich frei von jedweder Angst vor erneuten Verletzungen und vor „Flashbacks“, auf einen mir noch unbekannten Menschen, ein im Wortsinn unbefangenes Kennenlernen einlassen zu können, mich öffnen und einfach vertrauen können: Dies ist einer meiner größten Herzenswünsche. Diesem besonderen Herzenswunsch entgegen stehen jedoch starke Verlust- und Bindungsängste, große Angst vor emotionaler Überforderung und vor nicht genügen (Können), meine aus Kindheit und Jugend herrührenden Verletzungen, Entwicklungsdefizite und Unsicherheiten, wie auch die Sorge, ein potentielles Gegenüber in diesen ungesunden und bis ins Innerste aufwühlenden Gefühls- und Erinnerungsstrudel unfreiwillig mit hinein zu ziehen, und so mitverantwortlich zu sein für ein sicher zu erwartendes Gefühlschaos, neue Verletzungen und baldige, ebenso bittere Enttäuschungen auch beim Anderen.

Wie schwer und Kräfte-zehrend es ist, zunächst im Unterbewusstsein schlummernde und über Jahrzehnte hinweg sorgsam eingeübte und „eingepflanzte“ Verhaltensmuster, sowie zahlreiche gut versteckte, das eigene Verhalten und Empfinden auf perfide Weise manipulierende Glaubenssätze, und damit unmittelbar verknüpfte, lang unterdrückte „negative“ Gefühle, nicht nur selbst aufzudecken, sondern auch einen adäquaten und sanftmütig akzeptierenden Umgang mit ihnen zu finden: Diese immer wieder aufs Neue erschütternde und äußerst bittere, alles bisher scheinbar Erreichte in Frage stellende Erfahrung, habe ich in den letzten Jahren des Öfteren machen müssen. Denn kaum dass ich mich in trügerischer Sicherheit wähnte und glaubte, das Vergangene nun endlich hinter mir lassen zu können, befand ich mich unversehens, aber aus eigenverantwortlichen Handeln heraus, erneut in einem ähnlich existentiellen, mein bisheriges und unter großen Mühen erarbeitetes Selbstverständnis bedrohenden, und wahrhaft chaotischen Gefühls- und Erinnerungsstrudel.

Frieden in mir und in meiner Welt!“ Nachdem ich in der Weihnachtszeit den Impuls hatte, die Begriffe „Frieden“, „Liebe“ und „Licht“ zu meinen meditativen Leitmotiven zu machen, habe ich die spannende Erfahrung machen dürfen, wie diese Begriffe mich seitdem auch im Alltag außerhalb der Meditation begleiten und damit begonnen haben, in mir zu wirken und zu arbeiten. Immer wieder gelangen sie gemeinsam, oder auch schwerpunktmäßig nur einer von ihnen, im Laufe des Tages in mein Bewusstsein und erinnern mich daran, kurz innezuhalten und mir ihre Qualitäten und das was ich mit ihnen innerlich verbinde und mir von ihrer jeweiligen Qualität im Herzen erhoffe, zu vergegenwärtigen. Doch auch in der Meditation selbst ist durchweg einer dieser Begriffe mein Ankerpunkt. Zur Zeit ist es der obige Satz, mit dem ich mich in der Meditation verbinde und von dem ich deutlich spüre, dass er mir Halt und Zuversicht auf allmähliche, aber stetige Veränderung gibt und mich fest an seine langfristige Wirksamkeit glauben lässt.

Fortsetzung folgt…