Selbstblockaden und die Freude am Schreiben

Selbstblockaden und die Freude am Schreiben

6. Januar 2023 1 Von Eckhard Neuhoff

In den letzten Monaten habe ich mich sehr intensiv mit der Frage befasst, ob und zu welchen Themen ich noch Texte schreiben und veröffentlichen möchte. Denn nach über zehn Jahren, während derer ich in diversen Blogs zu den verschiedensten, und zumeist sehr persönlichen Themen geschrieben habe, hatte ich starke Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens. Und gleichzeitig bescherten diese Zweifel mir einen tiefgreifenden inneren Konflikt. Denn so deutlich mein innerer Widerstand und meine Zweifel auch waren, spürte ich dennoch, dass sowohl das Schreiben und Veröffentlichen von längeren Texten an sich, als auch die inneren Prozesse, insbesondere das mich dabei auf ein mir wichtiges Thema Fokussieren, durchweg etwas ausgesprochen Wohltuendes sind, und mir unabhängig von meiner jeweiligen inneren Verfasstheit, immer große Freude bereitet haben. Denn das sorgsame Be-Schreiben, das mich einem Herzensthema gründlich und reflektierend Widmen und in seiner ganzen Tiefe darauf Einlassen, hat und hatte durchweg etwas Reinigendes, Klärendes und Befreiendes an sich. Es war und ist nämlich immer auch ein wortwörtliches „von der Seele Schreiben„! So fühlte sich diese mir selbst auferlegte Zwangspause so an, als hätte ich mir ein Verbot, vielleicht sogar eine Strafe auferlegt, mir etwas sehr Wichtiges weggenommen. Aber aus welchem Grund?

Vor sehr langer Zeit schrieb ich einmal sinngemäß, dass Depressionen immer auch die Qualität von nach innen, gegen sich selbst gerichteter Aggression innewohnt. Anstatt dem momentan Gefühlten und Empfundenen den ihnen zustehenden Raum zu gewähren und ein passendes „Ventil“ zu finden, bleiben diese Gefühle im Innern verschlossen und sind dem eigenen Bewusstsein nicht zugänglich. Dieser nachlässige und lieblose Umgang mit sich selbst ist erlernt und basiert zumeist auf frühkindlichen seelischen Verletzungen, Erfahrungen und Prägungen. So habe auch schon als kleines Kind gelernt, dass bestimmte Gefühle und Empfindungen, wie beispielsweise Wut und Traurigkeit, aber auch Stolz auf Erreichtes, „falsch“ sind und von anderen Menschen keinesfalls akzeptiert, sondern bestraft werden. Für einen Menschen wie mich, der von Natur aus mit einem sehr lebendigen, reichhaltigen und tief empfundenen Gefühlsleben gesegnet ist, ist eine derart aufgezwungene Limitierung ganz besonders fatal und hat ebenso fatale Auswirkungen auf sein gesamtes Gefühlsleben und seine weitere Biografie, die noch Jahrzehnte später massiv nachwirken. Vor diesem Hintergrund erscheint mir es mir auf groteske und traurige Weise nachgerade folgerichtig, dass ich mir in meiner äußerst depressiven Verfasstheit dasjenige weggenommen habe, von dem ich wusste, dass es für mich schön und heilsam sein würde.

Dass ich trotz dieses selbst auferlegten „Schreibverbotes“ während der gesamten Zeitspanne meiner Depression, von mir selbst völlig ungehindert, dennoch unzählige und zu Herzen gehende Gedichte verfasst und veröffentlicht habe und sie überhaupt zu schreiben vermochte, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Denn zum einen sind Gedichte keine Prosatexte, sondern „nur“ eine äußerst komprimierte und gänzlich anders geartete Kurzform des Schreibens. Zum anderen (und diesen Aspekt finde ich auf gewisse Weise ziemlich amüsant) ist das Schreiben von Poesie wohl eine ziemlich raffinierte Methode meines Unterbewusstseins oder auch meiner Seele gewesen, das auferlegte Verbot zu umgehen und seiner ungeachtet, sich den so dringend notwendigen Raum und Ausdruck zu verschaffen. Ich habe mich also selbst ausgetrickst! Trotzdem ist es für mich jetzt ein wahrer Befreiungsschlag, wieder mit Freude und Leichtigkeit Texte schreiben zu können. Danke!