
Traumaarbeit und Meditation als Weg zur seelischen Gesundung
Wie kann ich mit meinen zahlreichen seelischen Verletzungen und ihren bis heute andauernden, weitreichenden Folgen für mein Leben, künftig anders umgehen, ohne sie jedoch zu verleugnen und zu unterdrücken? Seitdem mir erst kürzlich erstmals wirklich bewusst geworden ist, dass ich nicht nur mit schweren seelischen, auf den ersten Blick voneinander unabhängigen Traumata lebe, sondern auch deren Verursacher klar benennen kann – und mich so mit Fug und Recht als ein Opfer seelischer Gewalt bezeichnen darf – ist diese Frage sowie ihre Klärung, für mich von ganz zentraler Bedeutung.
Diese sehr schmerzliche und tiefgreifende, ja, mich im Innersten erschütternde Einsicht, tatsächlich ein Missbrauchsopfer zu sein, hat meine Selbstwahrnehmung grundlegend verändert und mir eine bis dahin ungeahnte, mich zugleich erleichternde wie verunsichernde, neue Klarheit beschert. Noch bis vor kurzem war ich lediglich dazu imstande, eine innerlich lediglich sehr distanzierte Verbindung zwischen meinen vorhandenen Traumata, ihrem großen Einfluss auf mich und mein Leben, und denjenigen Menschen herzustellen, die für das Vorhandensein meiner seelischen Wunden und Narben so umfassend wie vollständig verantwortlich sind: meine Eltern. Mir diese erschütternde und zutiefst traurige Tatsache einzugestehen und mich gleichzeitig auf der Gefühlsebene mit meinem Opfer-Sein als Teil sowohl meines Daseins, als auch meiner Biografie, meines so geworden-Seins, zu verbinden und es zuzulassen: es war ein langer, mühsamer und schmerzlicher Weg, der Jahrzehnte gedauert, und mich immer wieder an meine Grenzen gebracht und in die Irre geführt hat.
Meine eigenen Eltern (und dabei insbesondere meine Mutter) als Hauptverursacher (Täter!) meiner seelischen Traumata und ihrer massiven Auswirkungen zu erkennen und diese zutiefst verstörende Tatsache auch auszusprechen, hat mich sehr viel Überwindung gekostet. Denn schließlich handelt es sich dabei um diejenigen Menschen, die zu allererst und grundsätzlich für mein Wohlergehen und für ein eigentlich selbstverständlich sein sollendes gesundes, gewaltfreies und liebevolles Heranwachsen und Heranreifen verantwortlich waren. Dass beide dieser großen Verantwortung nicht gerecht geworden sind, und es aufgrund ihrer eigenen Geschichte wohl auch nicht konnten, ist für mich dermaßen erschütternd, dass ich es kaum in Worte zu fassen vermag und mein Verstand, wie auch meine Seele, sich so lange geweigert haben, sich dieser Tatsache umfassend zu stellen.
Doch wie ich in meinem gestrigen Blogtext über „Traumaarbeit und Meditation“ bereits beschrieben habe, gibt es zu meinem immer wieder neuen Erstaunen in mir einen Anteil, der von all dem vollkommen unberührt zu sein scheint, jedoch ohne diese Tatsachen zu leugnen oder zu verdrängen. Es ist ein Teil meiner Individualität, in dem sämtliche von mir lebenslang so sehr herbeigesehnten Qualitäten wie Vertrauen, Sicherheit, Stärke, Gelassenheit und Ruhe bereits vorhanden zu sein scheinen. Doch existieren neben ihm nach wie vor auch andere: wie beispielsweise der wehrlose, zutiefst verängstigte und verunsicherte kleine Junge, der ich einstmals war; genauso wie der wütende und ausgesprochen aggressive Rebell, der sich noch immer gegen alles und jeden mit allen Mitteln, seien sie legal oder nicht, zur Wehr setzen möchte; oder auch der weltfremde und verträumte, etwas naive Philosoph, Eremit und Esoteriker, der mit der allzu lauten und ihm fremd gewordenen Welt und den, aus seiner Perspektive, zu seltsamen und unverständlichen Menschen nichts zu tun haben möchte; und, nicht zu vergessen: der liebevolle und sprachbegabte Poet und Blogger, dem es ein Herzensanliegen ist, Menschen zu berühren und zu verbinden. Doch vermutlich sind da noch etliche mehr, die entdeckt, verstanden, angenommen und integriert werden möchten.
Diese so unterschiedlichen und zum Teil widersprüchlichen Charaktere miteinander in Einklang zu bringen, sie zu einem in sich schlüssigen Ganzen zu vereinen, gleicht einer Herkulesaufgabe. Und doch ist es wohl der einzige Weg, meiner tief verletzten Seele die Möglichkeit zu geben zu heilen.
Auch hier erweist sich die Meditation wieder einmal als wunderbar hilfreiches Mittel: In einem selbst erschaffenen Raum der Ruhe, der seelischen Weite, des Einklangs und der Harmonie, lassen sich sämtliche Anteile meines Selbst, frei von Angst und ohne jeden Druck, erkennen und betrachten. Und in weiteren, achtsamen Schritten womöglich auch zusammenfügen zu einem gesunden und vitalen Ganzen. So möge es sein!