Auf der Suche nach dem „Ich“ (1. Teil)

Auf der Suche nach dem „Ich“ (1. Teil)

20. Januar 2023 0 Von Eckhard Neuhoff

Wer bin ich eigentlich?“ Oder anders formuliert: „Was genau macht mich als Individualität, als Eckhard aus?“ „Welche einzigartigen, wirklich individuellen Eigenschaften trage ich in mir?“ Oder auch: „Was bleibt von mir, meinen eigentlichen „Ich“ übrig, wenn ich mich sämtlicher Glaubenssätze, Vorstellungen und Wahrnehmungen entledige, die ich in Bezug auf mich und meine zum Teil nur vermeintlichen Eigenschaften, Eigenheiten und Begabungen im Laufe meines Lebens von anderen Menschen übernommen habe?“ Schon allein bei der Formulierung dieser Fragen bemerke ich, wie schwer es mir fällt, dasjenige überhaupt präzise in Worte zu fassen, es zu „er-fassen„, was sich schon länger als ein dumpfes und beängstigendes, trauriges Empfinden von innerer Leere, einem äußerst vagen „Fehlen“ und Unvollständigkeit in mir geformt hat: das schmerzliche Vermissen und bisher vergebliche Suchen nach mir selbst. „Was macht mich aus?“ Und: „Wer bin ich„?

Inzwischen gelingt es mir jedoch ohne große Mühen, eine Liste von Eigenschaften und Interessen zu erstellen, die ich mir selbst als als für mich stimmig zuschreiben kann. Und dennoch bleibt es eine Liste, die sich auf merkwürdige Weise abstrakt und oberflächlich anfühlt, ohne eine wirklich tiefe Verbindung zu meinem „Ich“. Denn schon bei der Frage nach dem, was „ich“ wirklich möchte, nach meinen wahren Leidenschaften, oder nach meinen persönlichen Zielen im Leben, gerate ich ins Schleudern und muss ehrlich antworten: Ich weiß es nicht! Ich habe davon keinerlei konkrete Vorstellung.

Schon sehr oft und intensiv habe ich mich mit der für mich äußerst zwiespältigen und zeitweise nur schwer erträglichen Widersprüchlichkeit sowohl meines Eigenerlebens, als auch meiner zum Teil polarisierenden Außenwirkung auseinandergesetzt. Und auch diese Divergenzen haben dazu beigetragen, dass meine Selbstwahrnehmung und mein Zugang, meine innere Haltung zu mir selbst, mir keine wirklich gewachsene Konsistenz, keinen festen Grund bieten, auf dem ich mich sicher bewegen kann, und der mich in meinem Leben und Erleben, meinem Fühlen, Denken und Handeln, verlässlich und dauerhaft trägt. So fühle ich mich fast durchgängig zutiefst verunsichert und als ein ständig so ziellos wie sehnsüchtig Suchender und Getriebener, der schon nach so manchem trügerischen Strohhalm gegriffen hat; nur um über lang oder kurz feststellen zu müssen, dass auch er mir keinerlei dauerhaften Halt oder Orientierung zu bieten vermag.

So hat sich im Laufe der Zeit in mir die Überzeugung gebildet, dass ich die Antworten auf all meine Fragen, meine mir bisher verborgenen gebliebenen Wünsche, Ziele und Sehnsüchte, letztlich nur -unabhängig von anderen Menschen- in mir finden kann. Doch beißt sich an dieser Stelle die sprichwörtliche Katze in den Schwanz: Denn ohne „Ich“ gibt es diesen Ort auch nicht, von dessen realer Existenz ich dennoch fest überzeugt bin.

Was also kann ich tun? In meinen Meditationen gelingt es mir gelegentlich, eine Ahnung davon zu bekommen, dass es irgendwo in mir einen Anteil, vielleicht eine Art „Zentrum“ gibt, das tatsächlich eins mit sich ist, und mir ein Gefühl, ein Empfinden, von Frieden, Geborgenheit, innerem Halt und vollkommener, ruhiger Stimmigkeit zu vermitteln sucht. Doch ist seine Stimme so leise, dass ich sie kaum wahrzunehmen vermag und sie nur selten zu den anderen, ungleich lauteren und dominanteren Anteilen in mir durchzudringen vermag. So mag es vielleicht darum gehen -auf welche Weise auch immer – dieser Stimme mehr Geltung zu verleihen, sie zu stärken und zu lernen, ihr noch achtsamer zu lauschen, um ihr endlich mehr Vertrauen schenken zu können.