Meditation und Poesie: Widerspruch oder Ergänzung?

Meditation und Poesie: Widerspruch oder Ergänzung?

14. März 2024 0 Von Eckhard Neuhoff

Neben dem Schreiben und Veröffentlichen von Gedichten, ist seit einigen Jahren das regelmäßige Meditieren immer mehr zu meinem „zweiten Standbein“ geworden. Und je mehr ich mich mit diesen beiden, auf den ersten Blick so unterschiedlichen Tätigkeiten befasse, desto deutlicher kommen für mich ihre Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer Wirkweise auf meine Eigenwahrnehmung, mein Verständnis von Gewahrsein und auf meine innere Verfasstheit zum Vorschein. Immer mehr kommt es mir so vor, als seien beide eng miteinander verwoben und ergänzten einander – als lediglich verschiedene Seiten oder Aspekte eines gemeinsamen und zusammengehörigen Ganzen.

Was ist Meditation?

Ganz zu Beginn meines Meditationsweges war ich der Auffassung, dass Meditation ausschließlich bedeutet, mich ganz und gar nach innen zu orientieren, um mich selbst immer mehr in der Stille, dem urteilsfreien und vor allem Wort-losen Raum des Seins, zu erkennen, wahrzunehmen und zu erfahren – ohne jede Wertung oder Interpretation. Der höchst lebendige, schöpferische Entstehungsprozess eines Gedichtes dagegen, mit seinem buchstäblichen Wortreichtum, scheint dazu im krassen Gegensatz zu stehen. Denn der Entstehungsprozess eines Gedichtes, das schöpferische, bildhafte und künstlerische in Worte Fassen der ureigenen Gedanken und Empfindungen, ist -von außen betrachtet- nichts anderes als reine Interpretation, und damit auch eine Bewertung des Erfahrenen und Erlebten.

Stille -ein kreativer Raum

Nur ganz allmählich habe ich verstanden, dass dieser scheinbare Widerspruch zwischen dem Verweilen in der Stille einerseits, und dem Verfassen eines Gedichtes andererseits, nur in meinem begrenzten menschlichen Verstand, und durch von Anderen übernommenen Glaubenssätzen bezüglich vermeintlich fester Regeln beim Meditieren existiert. Nach meiner ganz individuellen Erfahrung hat nämlich mein schöpferischer Prozess des Dichtens seinen wahren Ursprung in der Stille der Meditation. Nur in der Stille, wenn mein Geist wirklich zur Ruhe kommt und den Lärm des Alltags hinter sich gelassen hat, findet das, was ich gerne meine „Seelenpoesie“ nenne, überhaupt den für ihre Entstehung benötigten Raum, um sich zu entwickeln und sich in mir Gehör zu verschaffen. Nur hier bin ich wirklich ganz im Gewahrsein, sodass die Worte meiner Seele mich finden können und ich ihre Sprache verstehe. Und das was daraus entsteht, ist ein wahrhaftiger und tiefer Ausdruck meiner Seelenwahrheit und meiner Individualität.

Schon seit einigen Jahren bekomme ich die Inspiration zu den meisten meiner Gedichte während des Meditierens, sodass ich den Schreibprozess beim Verfassen von Poesie mittlerweile als eine Art Erweiterung und Ergänzung meiner Meditationspraxis erlebe. So sind aus dieser Verbindung von Meditation und Schreiben meine beiden letzten Gedichtbände „Der Klang der Stille“ und „Auf dem Weg“ entstanden. Mein Seelenraum gewinnt dadurch an Weite und öffnet sich auch für andere Menschen. Und dafür bin ich sehr dankbar!