Warum mir Sichtbarkeit und Resonanz so wichtig sind

Warum mir Sichtbarkeit und Resonanz so wichtig sind

10. April 2024 0 Von Eckhard Neuhoff

Der Titel eines meiner allerersten Blogtexte von vor über zehn Jahren lautete „Habe ich etwas zu sagen?“ Und wenn ich dem Duktus dieser Fragestellung nachspüre, dann klingt dieser Satz für mich heute sehr zwiespältig und nach großer innerer Unsicherheit: Denn einerseits fragt er danach, ob es aus meinen Gedanken und meinem Erleben überhaupt etwas gibt, das für mich des Mitteilens wert ist. Und andererseits bringt er meine tiefsitzenden Zweifel darüber zum Ausdruck, ob dasjenige was ich von mir zeigen und mitteilen möchte, für andere Menschen überhaupt von Interesse sein kann.

Verborgen hinter diesen Unsicherheiten liegt eine tiefe, ungestillte Sehnsucht, ein großes Verlangen danach, für andere Menschen nach langen Jahren der gefühlten Unsichtbarkeit und Unwichtigkeit endlich sichtbar zu sein, wirklich gehört – und überhaupt wahrgenommen zu werden. Denn schon als Kind habe ich mit dem nicht wirklich greif- und formulierbaren, aber dennoch sehr prägenden und bedrückenden Gefühl gelebt, mit all meinen Gedanken, Empfindungen und Anliegen für die meisten Menschen weitgehend uninteressant und unsichtbar zu sein. Dieses traurige und mich verunsichernde Gefühl begleitet mich in abgeschwächter Form bis heute, und prägt noch immer meinen bis zum heutigen Tag vorhandenen Wunsch nach Resonanz und Bestätigung als Dichter und Autor.

Eine unmittelbare Folge dieser prägenden Erfahrungen ist, dass mir die unterschiedlich starke Resonanz auf meine Gedichte einerseits, und meine Texte andererseits immer wieder ins Auge fällt und mich verunsichert. Während ich für meine Poesie schon seit geraumer Zeit regelmäßig sehr berührenden und dankbaren Zuspruch ernte, erfahren meine Texte vergleichsweise nur wenig öffentliche Resonanz, was in mir die Frage hervorbringt, woran es wohl liegen mag. Sind meine Texte zu komplex, zu persönlich und zu schwer verdaulich, als dass sie für ein größeres Publikum geeignet sind und dazu einladen, eine unmittelbare Resonanz zu erzeugen? Jedenfalls beschäftigt mich diese deutlich wahrnehmbare Diskrepanz sehr, und ruft immer wieder ziemlich düstere Erinnerungen und Empfindungen in mir wach, weil dieses von mir bisweilen so empfundene eisige und sogar strafende Schweigen zu meinen Texten beängstigend laut in meinen Ohren dröhnt.

All diese überaus schmerzhaften, und im Wortsinn enttäuschenden Erfahrungen haben damals dazu geführt, dass ich mich innerlich immer mehr zurückzog und verschloss; bis ich in meiner Seele ganz verstummte und mich selbst nicht mehr wahrnehmen konnte. Irgendwann habe ich ganz damit aufgehört, die mir wichtigen Anliegen und meine Empfindungen in Worte zu fassen und zu adressieren – nicht zuletzt aus Furcht vor der bereits zuvor erlebten Zurückweisung, wie auch aus Scham vor meinen eigenen Gefühlen, und aus dem in mir gewachsenen und fest verankerten Empfinden heraus, dass es ohnehin keinerlei Bedeutung besitzt, was ich denke und fühle – weder für mich noch für Andere. So habe ich es irgendwann schlichtweg verlernt, mir selbst zuzuhören und meine Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen.

Das Thema „Sprachlosigkeit“ zieht sich daher, verbunden mit dem Empfinden, für andere Menschen nicht wichtig genug zu sein, wie ein roter Faden und als sehr zentrales Thema durch mein gesamtes Leben. Erst die Entdeckung des Schreibens hat es mir ermöglicht, überhaupt wieder Worte und Begriffe dafür zu entdecken, was mich im Innersten beschäftigt und bewegt, und für dasjenige, was an Themen und Anliegen aus meiner Seele heraus ausgesprochen und gezeigt werden möchte, als ein elementares und berechtigtes Bedürfnis.

Umso mehr verunsichert es mich, dass es nun wieder ausgerechnet meine inneren Brüche und seelischen Traumata sind, die auf (vielleicht ratloses?) Schweigen und scheinbares Desinteresse stoßen; im Gegensatz zu meinen Gedichten, die aufzunehmen zwar natürlich leichter und angenehmer ist, die aber gleichzeitig nur einen Teil dessen widerspiegeln, was mich als Mensch, als Individualität und Schreibender bewegt und ausmacht. Es ist jedoch weder mein Anliegen noch entspricht es mir, ausschließlich, Schönes, Leichtverdauliches und Angenehmes in die Welt zu bringen, denn das bin auch ich nicht. Nein! Ich bin ein Mensch mit biografischen Brüchen, Ängsten, Unsicherheiten, Widersprüchen und tiefen seelischen Narben, die ich nicht länger verbergen mag, und die ich aus diesem Grund in ihrer Gesamtheit auch künftig weiterhin in mein Werk einfließen lasse, weil sie dazugehören.

So schön und wichtig es auch (nicht nur für mich allein) sein mag, mit meiner Poesie Harmonie, Besinnlichkeit und inneren Frieden, und damit bestärkende, tröstende und heilsame Impulse in die Welt zu bringen: genauso wichtig ist es mir, das Andere nicht länger zu verschweigen, aus vermeintlicher Rücksichtnahme und altvertrauter Scham heraus. Denn gerade dieses „Sowohl als auch“ von Licht und Schatten in mir, macht mich und mein Werk erst vollständig und glaubwürdig.