Traumafolgen: Vom Umgang mit Wut und Verletztheit

Traumafolgen: Vom Umgang mit Wut und Verletztheit

29. April 2024 0 Von Eckhard Neuhoff

Wie leicht oder schwer fällt dir der Umgang mit emotional „schwierigen“ Gefühlen wie Wut, Traurigkeit oder innerer Verletztheit? Und hast du ein sicheres und stimmiges Empfinden dazu, wie du mit diesen Gefühlen in Auseinandersetzungen umgehen kannst und willst? Mich bringen Konflikt-und Streitsituationen jedes Mal an meine emotionalen Grenzen, und manchmal auch darüber hinaus, sodass ich den Boden unter meinen Füßen verliere und kein Gefühl mehr dazu habe, was „richtig“ oder „falsch“ ist.

Erst vor Kurzem wurde ich aus heiterem Himmel in eine solche Auseinandersetzung hineingezogen. Sie mich sehr deutlich hat spüren lassen, wie verunsichert und existentiell verzweifelt ich bin, wenn ich mich zu unrecht angegriffen und verletzt, und mich damit in meiner Integrität in Zweifel gezogen fühle.

Es ist ein zugleich innerlich lähmendes und extrem aufwühlendes Wechselbad der Gefühle, das von starker Wut, Traurigkeit und Enttäuschung, wie auch vom dringenden Wunsch nach Verteidigung und Selbstbehauptung, und dem starken Verlangen nach Versöhnung und Klärung geprägt ist. Doch gleichzeitig ist da auch der überaus starke Impuls, es dem Gegenüber mit gleicher Münze, und auf dem gleichen, rein emotionalen Niveau von Vorurteilen und äußerst fragwürdigen Unterstellungen heimzuzahlen, die eigene Wut und Verletztheit laut und gänzlich ungefiltert hinaus zu schreien und den anderen Menschen auf diese Weise deutlich und unmissverständlich in seine Grenzen zu verweisen.

Welches Verhalten, welches damit umgehen ist in solchen Grenzsituationen richtig oder falsch? Zugleich erschüttert und traurig stelle ich fest, dass mir in derartigen Situationen der innere Kompass dafür zu fehlen scheint, eine eindeutig klare und für mich ganz und gar zweifelsfrei richtige und stimmige Entscheidung zu treffen, die mir und meinen innersten ethischen Überzeugungen und Grundsätzen tatsächlich entspricht. Denn im Momentum des Streits fühle ich mich innerlich hin-und hergeworfen, ja nahezu getrieben und dominiert von meinen Emotionen – vollkommen unfähig, einen klaren und von Vernunft geleiteten Gedanken zu fassen. Steht mir einerseits der Sinn danach, mich zu behaupten und die Situation dennoch friedlich und in gegenseitigem Respekt voreinander zu bereinigen, so werden anderseits meine Urängste und seelischen Narben wieder zum Leben erweckt, und mit ihnen das erlernte und fest in mir verwurzelte Gefühl der Hilf-, Wert- und Ratlosigkeit.

Darf ich mich überhaupt wütend und enttäuscht fühlen? Darf ich das Bedürfnis verspüren, mich energisch zu Wehr zu setzen? Und darf ich diese Empfindungen gegenüber anderen Menschen wirklich zum Ausdruck bringen? Für die meisten Menschen werden sich derartige Fragen vermutlich nicht einmal stellen. Für mich aber sind sie nach wie vor von ganz elementarer Natur, und damit das Symbol einer großen inneren Unsicherheit und Ungeübtheit in Bezug auf dasjenige, was ich mir selbst zugestehe, als Ausdruck meines Selbstwertes und meines Selbstverständnisses.

Erlebnisse wir dieses stellen mich auf die Probe. Doch je öfter ich mit ähnlichen Situationen konfrontiert bin, desto deutlicher spüre ich, dass es in jedem Fall richtig ist, nicht alles hinzunehmen, sondern mich deutlich zu positionieren und mich und meine Werte zu vertreten. Auch gegen äußere Widerstände und um den Preis, von anderen Menschen nicht länger gemocht oder respektiert zu werden. Denn tief in meinem Innern spüre ich: Ich bin es mir wert!